Eine unruhige Nacht. Die Betten knarren alle recht laut. Endlich, um 7:30 Uhr ein Wecker! Ich mache mich schnell fertig und suche erst einmal den Frühstücksraum auf. Das Frühstück ist übersichtlich, den Kaffee muss man sich in der Mikrowelle warm machen. Die ersten Postkarten wollen geschrieben werden, ich habe ja gestern doch noch welche erstehen können. Ich gehe allein los, verabschiede mich aber brav von Katrin: „Man sieht sich, spätestens heute Abend.“ Zunächst geht es an einer kleinen Straße entlang. Zwei französische Ehepaare laufen auf Sichtweite. Dann biege ich ab, nehme den Weg an der Steilküste entlang. Er ist recht rutschig, vor allem bergab gehe ich sehr langsam und vorsichtig.
Dann endlich ist der Strandweg erreicht. Doch starker Gegenwind, vermischt mit zunehmend starkem Regen, versalzt die Freude. Mein Schirm hält tapfer durch. Nach zehn Kilometern bin ich in Noja, informiere mich im Touristenbüro und stärke mich in einem Café. Ein Tabaco-Laden ist auch am Sonntag geöffnet und so besitze ich jetzt sogar Briefmarken. Ich dehne die Pause aus und schreibe weitere Grüße an die Heimat. Heute Vormittag wäre eindeutig der Einsatz der Regenhose nötig gewesen. Doch das habe ich erst erkannt, als meine Hose schon durchgeweicht war. Also fällt die Pause noch etwas länger aus, bis ich getrocknet bin. Es sind heute nur noch 13 Kilometer, also werde ich so gegen 15:00 Uhr in Güemes ankommen.
Der weitere Weg führt durch die Felder. Eine Frau bietet mir Wasser und Früchte an. Dankend lehne ich ab, ich habe noch genug im Picknickbeutel. Dabei wäre ein kleines Gespräch vielleicht nicht nur für mich ganz nett gewesen. Jetzt kommt ein kleines Stück an einer wenig befahrenen Landstraße. Ich hole ein Ehepaar aus Colorado ein. Zusammen finden wir die Herberge. Ich werde von einer Französin auf Deutsch mit einem Glas Wasser begrüßt. Nach dem Eintrag ins Herbergsbuch wird mir mein Zimmer gezeigt. Einige Herren machen schon deutlich hörbar ihren Mittagsschlaf. Ich raschle nur wenig mit meinen Tüten, um meine saubere Wäsche zu finden. Heute ist große Wäsche angesagt, denn die Sonne ist herausgekommen, wie fast jeden Nachmittag in diesen Tagen. Und auch der Wind weht kräftig, ideal für meine Wäsche auf der Leine. Im Speiseraum stehen Wasser und Tee bereit. Ich schreibe die restlichen Postkarten und studiere in meinem Pilgerführer bei klassischer Musik die morgige Etappe.
Nach und nach treffen viele bekannte und neue Gesichter ein. Ich finde ein schönes, ruhiges Plätzchen hinter dem Haus und lasse mir die Sonne auf die Nase scheinen. Katrin ging es heute nicht gut, erzählt sie mir, denn natürlich haben wir uns hier wiedergetroffen. Ich hatte vorgestern meinen Durchhänger. Die Planung für morgen ist bei fast allen in vollem Gange. Ich werde erst morgen Mittag entscheiden, ob ich in Santander bleibe oder noch etwas weiter gehe. Helmut und Otmar, die beiden Südtiroler, gesellen sich zu mir auf mein Sonnenbänkchen. Heute waren es auf jeden Fall 24,3 Kilometer, die ich Santiago näher gekommen bin.
Vor dem Abendessen erzählt uns der Gründer der Herberge, wie dieses Projekt entstanden ist. Das Haus, in dem der Speisesaal untergebracht ist, ist sein Elternhaus. Viele freiwillige Helfer arbeiten hier. Heute sind wir etwas über dreißig Pilger. Ein gutes Abendessen rundet den Tag ab. Der Kamin ist eingeheizt und verbreitet Wärme und Gemütlichkeit. Einige Pilger zücken nach dem Essen die Spielkarten.