Diese Internetseite verwendet Cookies. Mit der weiteren Nutzung unserer Seite stimmen Sie dem zu. Details finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Um fünf nach sieben schon sind meine Füße und mein Rucksack abmarschbe­reit. Bis halb acht darf ich noch auf das Frühstück warten. Das Wetter ver­spricht, tro­cken zu bleiben. Richtig aus­geruht bin ich nicht, denn die Schnar­cher haben heute Nacht ein Wett­konzert gege­ben. Ob es bei der langen Etappe von 42,2 Kilometern bleibt, werde ich gegen 14:00 Uhr entscheiden. Auf jeden Fall werde ich ganz lang­sam losgehen, um den Körper langsam auf Arbeit­stemperatur zu bringen. Heu­te Nacht habe ich gefro­ren und auch jetzt, beim War­ten auf das Frühstück, habe ich Eisfinger.

Dann zie­he ich los. Es war schön, das Früh­stück mit zwölf anderen Pil­gern zu teilen. Doch nun wie­der nur für mich zu sein, ist ebenso schön. Singend und pfei­fend, wenn der Text fehlt, ziehe ich durch die spanische Landschaft. Die Vögel stört mein Gesang nicht, sie zwit­schern mit mir um die Wette. Ich hole einen Pilger von den Kanarischen In­seln ein. Da es gerade nicht regnet, machen wir zu­sammen Pause auf einem Pick­nickplatz.

In der nächsten kleinen Stadt finde ich lan­ge Zeit keine Pfeile. Ich gehe ein­fach geradeaus und frage nach dem Weg. Ich habe keinen Um­weg ge­macht. Da es Punkt 12:00 Uhr ist, su­che ich mir das schönste Café, werde tro­cken und orientie­re mich, wo ich bin, nämlich in Un­quera. Laut Plan bin ich drei­einviertel Stun­den unter­wegs, in der Realität eine halbe Stunde länger. An ei­nem Pilgertele­fon habe ich eine Nachricht für Katrin hinterlassen. Mir war da­nach, ihr einen gu­ten Weg zu wün­schen, und es ist egal, ob sie die Nachricht be­kommt oder nicht. Wich­tig für mich ist, dass ich sie geschrie­ben habe.

Dach­te ich am Vor­mittag schon: „Ganz schön viel Asphalt!“, so über­trifft das jetzt am Nach­mittag bei Weitem diese Nationals­traße, an der ich ent­langgehen darf. Kein so schönes Pilgern wie vormit­tags mit Vogelgezwit­scher, Singen und Pfei­fen. Da das Jetzt nicht so schön ist, hän­ge ich meinen Gedanken nach, verar­beite sie.
Zwi­schendurch dann doch mal wie­der eine Passage mit Blick auf das Meer. Mein Ge­sang geht in der Brandung unter. Da die Etappe ja lang ist, schaue ich alle halbe Stunde auf die Uhr und mei­nen Ta­cho. Ich bin jetzt wie­der in der Zeit. Wegen einer großen Baustelle wird der Camino umgeleitet.

Ges­tern habe ich im Pilgerführer gelesen, dass man auf der Nationalstraße vier Kilo­meter verkürzen kann. Jetzt ist es Viertel vor vier und ich trinke erst ein­mal einen Café con le­che. Der Tacho steht auf 28 Ki­lometern. Vor Kurzem habe ich ein Schild „Llanes 11 km“ gesehen. Das passt. In dem Café reicht es sogar für eine knappe Un­terhaltung mit der Bedienung auf Spa­nisch. Ich werde mit einer Liste von Ho­tels bis Santiago ver­sorgt. Das ist gut ge­meint, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass es bes­ser ist, immer die Unter­kunft spontan zu su­chen.

Ich überhole unterwegs noch einen Norweger, der bald hinter mir ver­schwindet. In Llanes angekom­men, treffe ich auf einen Australier. Zusammen suchen wir die Herberge. Diese ist erstaunlich voll. Jetzt um 19:00 Uhr sitze ich frisch ge­duscht im Aufenthalts­raum und ziehe meine Tagesbilanz. Der Pilgerfüh­rer hat mir zwölf Stunden Camino für heute versprochen. Ich war acht Stunden und 35 Mi­nuten unterwegs. Das Wunder der Technik, dass ich um den Hals hängen habe, gibt mir diese Infor­mation. Mit Pausen war ich von Herberge zu Herberge 10 Stunden auf den Fü­ßen. Mit dem Stadtplan bewaffnet, mache ich mich noch einmal auf in die schö­ne Stadt. Kontakt mit anderen Pilgern hatte ich genug. Das Abendessen will ich für mich allein haben. Am Nachbartisch sitzt ein fran­zösisches Ehepaar. Mein Französisch reicht für ein kleines Ge­spräch. Der Mann ist schon neun Ca­minos gegangen, die Frau sechs. Die bei­den wollen ab Ovie­do den Camino Primitivo weiterge­hen. Ich will auf dem Camino del Norte bleiben. Auf dem Weg zurück zur Herberge merke ich den langen Tag doch recht deutlich in den Bei­nen. Es waren heute 54.985 Schritte in Richtung San­tiago.

 

Blick aufs Meer auf der Etappe San Vincente de la Barquera → Llanes

Blick aufs Meer auf der Etappe San Vincente de la Barquera → Llanes

Joomla templates by a4joomla