Heute vor 14 Tagen bin ich zu Hause losgefahren. Nun sitze ich in Llanes beim Frühstück. Heute Nacht haben die sonst sehr schweigsamen Dänen um die Wette geschnarcht. Der Australier war still. Die Dänen haben auch schon sehr früh den Aufbruch eingeleitet. Jede Tüte wurde mindestens sechsmal angefasst. Ich werde erst nach dem Frühstück meine Tüten rascheln lassen.
Der Vorteil des frühen Aufstehens der Dänen ist, dass auch ich schon um zehn nach sieben auf dem Weg bin. Mal Straße, mal Feldweg, mal Sicht auf die Berge, mal Sicht auf die Küste, der Weg ist abwechslungsreich. Ich singe und pfeife jetzt auch auf der Straße. Keine Lust auf trübe Gedanken. Das Wetter unterstützt mich, nur ganz selten fällt ein bisschen Regen. Ein Pilgertelefon taucht auf. Ich bin schon vorbei, kehre um und schreibe eine kurze Nachricht an Katrin. Der von ihr hingeworfene Gedanke einer Konfifreizeit auf dem Camino geht mir nicht aus dem Kopf. Ich gehe meine Caminos durch, überlege, plane und bin mit guten Gedanken beschäftigt. Denke an die Bergtour, die ich mit Jugendlichen vor vielen Jahren unternommen habe, denke an den Jugendherbergsweg durch die Eifel, den ich oft auf meinen Eifel-Caminos berührt habe, denke an die Jugendgruppe aus Villa Verde, die ich auf dem Caminho Português getroffen habe.
Um 10:15 Uhr zeigt mein Tacho 12,1 Kilometer an. „Zeit für einen Café con leche“, denke ich und prompt taucht eine kleine, saubere Bar auf. Ich bin zu faul, den Ort zu ermitteln. Ich habe die Jakobsmuschel am Eingang gesehen, es passt also. Schon nach einem weiteren Kilometer laden zwei Bänke vor einer Kapelle zum Verweilen ein. Leider ist diese Kapelle, wie so viele auf dem Camino, geschlossen.
Mir fällt Remo ein, der italienische Priester vom Caminho Português 2010. Er war deswegen so betrübt.
Die Sonne wärmt jetzt richtig und die Jacke darf in den Rucksack. Eine Margerite habe ich mir angesteckt. Das passende Lied wird mir sicher gleich einfallen. Im nächsten Ort fülle ich mein Wasser auf. Obwohl die Bars alle recht ordentlich aussehen, laufe ich an allen vorbei. Ich habe noch Picknick im Rucksack und es wird sich sicher bald eine passende Stelle finden. Punkt 12:30 Uhr sitze ich auf den Stufen einer Kirche (geschlossen), genieße mit Blick auf die Berge den Apfel und das Brot, das ich schon über fünfzig Kilometer weit mit mir herumtrage. Vorgestern bin ich hungrig einkaufen gegangen. Das sollte man nie tun. Da kaufe ich dann immer viel zu viel. Der Tacho zeigt 19,1 Kilometer an, von der Etappe her ist Halbzeit. Drei andere Pilger kommen nach und nach an. Ihre Pause ist kürzer. Aachen, Italien und Dänemark zieht es zur nächsten Bar. Bald bin ich wieder allein. Die junge Frau aus Italien treffe ich auf dem Weg wieder, ein paar Worte hin und her, dann ihre Frage, wie weit es noch ist. Ich gebe zu, keine Ahnung zu haben, zücke meinen Pilgerführer und nehme den Tacho zur Hand. Noch zehn Kilometer, das ist meine Schätzung. Ich habe gestern ohne Brille 38,5 statt 33,5 Kilometer im Pilgerführer entziffert. An meinem Zielort Ribadesella bin ich schon um 16:00 Uhr. Die Touristeninformation ist geschlossen, aber eine Dame beschreibt mir den Weg zur Herberge. Ich treffe auf ein französisches Ehepaar, die beiden wollen weiter zur nächsten Herberge. Ich bin noch unentschlossen, mache einen Stadtrundgang und kaufe Picknick ein.
Als ich am Hafen sitze, merke ich, wie meine Füße kribbeln. Sie wollen weiter. An der Strandpromenade sitzt das französische Ehepaar auf einer Bank. Wir beschließen, zusammen weiterzuziehen. Einen kleinen Abstecher zum Leuchtturm wollen wir uns auch noch gönnen. An einem Restaurant locken ein paar schöne Tische im Schatten zum Verweilen. Die Pause ist uns allen dreien recht. Ich bekommen von den beiden etwas Gebäck und Nüsse geschenkt. Das wiegt besonders stark, denn sie sind hierher getragen worden. Vom Wirt erhalten wir die Info, dass es noch 1,5 Kilometer bis zur Herberge sein sollen. Diese kommt und kommt aber nicht. Im nächsten Ort steht eine Frau vor ihrem Haus. Zur Herberge müssen wir eine halbe Stunde zurück. Aber eine Ecke weiter gibt es eine Pension. Keine Frage, welche Wahl wir treffen. Ich habe ein Einzelzimmer für zwanzig Euro, wenn ich die in rasendem Spanisch sprechende Dame richtig verstanden habe. Zwei Österreicher sind auch hier.
Im Ort gibt es einen Supermarkt und ein Restaurant. Picknick habe ich auch noch im Beutel, aber auf ein gutes Abendessen freue ich mich jetzt schon. Wenn ich meinem Pilgerführer glauben darf, bin ich in Vega und heute 38,5 Kilometer gegangen. Mein Tacho zeigt 53.002 Schritte an. Zwei Restaurants stehen zur Auswahl und ich genieße als Abendessen einen frischen Fisch mit Blick aufs Meer. Die anderen Pilger machen Picknick in der Pension. Ich bekomme von den Franzosen noch einen Tipp für eine Pension in Santiago. Dann sitzen wir schweigsam am Fenster aufgereiht und genießen einen wunderbaren Sonnenuntergang. Allgemein geht es auch heute früh zu Bett.