Beim Frühstück verquatsche ich mich mit den Franzosen. Erst um Viertel vor neun geht es los. Das Wetter ist trübe, jedoch trocken. Erst kommen Feldwege und Straßen, dann ein wunderbarer Pfad an der Küste entlang. Punkt 11:00 Uhr sitze ich in einem Straßencafé bei meinem Café con leche. Auf dem Weg habe ich wieder viel gesungen und gepfiffen. Heute Abend sollte ich in der „Mundorgel“ mal die Texte nachlesen. Größere Pläne habe ich nicht. Aber ich merke, wie durch das Laufen meine Probleme von gestern langsam zu Lösungswegen führen. Ich habe Muße, mir das Städtchen La Isla mit vielen schön renovierten Häusern anzuschauen, oft mit Blick auf die Küste. Dann mache ich mich wieder auf den Weg. Den mit gelben Pfeilen vorgeschriebenen verpasse ich, aber dank der guten Karten in Cordula Rabes Pilgerführer finde ich auch so den Weg nach Colunga. Meinen Weg. Vielleicht hat er den ein oder anderen Schlenker, doch er ist ganz und gar mein Weg und „My Way“ singe ich auch noch dazu. Auf einer Bank in Sichtweite der Kirche sitzen die beiden Kärntner, die ich gestern kennengelernt habe. Ein paar Worte, dann lasse ich mich auf der nächsten Bank zu meinem Mittagspicknick nieder. Die Anzeige eines Möbelhauses verrät mir, dass es kurz vor eins und zwanzig Grad warm ist.
Frust entsteht, weil die gestern gekauften Nektarinen schimmelig sind, ich mal wieder zwei Liter Wasser mit mir schleppe und hier ein Trinkbrunnen auf mich wartet. Schräg gegenüber ist auch noch ein Supermarkt. Die zweieinhalb Kilo Picknick hätte ich mir heute also sparen können. Aber was solls. Zu irgendetwas wird es gut gewesen sein. Die Kärntner brechen auf. Ich bleibe noch ein Weilchen. So schön es ist, ab und an jemanden zu treffen und ein paar Worte zu wechseln, auf dem Weg möchte ich auch heute für mich sein. Bei der Suche nach dem Weg aus dem Ort hinaus treffe ich auf die junge Dame aus Italien. Zusammen schaffen wir es, den im Ort nicht markierten Weg zu finden. Dann laufen wir wieder jeder für sich allein weiter. Auf einer Steinbank unter dem Vordach einer Kirche treffen wir uns wieder, machen gemeinsam Pause und kommen ins Gespräch. Sie kommt aus Norditalien und arbeitet im Imobilienmaklerbüro ihres Vaters. Die Geschäfte gehen schlecht, fügt sie hinzu. Ich erzähle etwas von meinen fünf Kindern. Getrennt ziehen wir weiter.
An einem Baum sehe ich die Werbung einen Hotels in Villaviciosa. Das liegt 1,5 Stunden weiter als mein heutiger Zielort Sebrayu. Auf der Steinbrüstung einer alten Brücke macht die Italienerin Zigarettenpause. Ich erzähle von dem Hotel in Villaviciosa und sie fügt hinzu, dass es laut ihrem Pilgerführer in Sebrayu nichts gibt außer der Herberge, die bald verlassen in einem winzigen Ort am Weg auftaucht. Ein paar Häuser weiter kann man sich den Schlüssel abholen. Zwei Damen unterhalten sich an der Ecke, eine will schon loslaufen, den Schlüssel zu holen. Doch wir beide haben zwischendurch schon unsere Füße befragt und die haben o.k. zu sechs weiteren Kilometern gesagt.
Mein Wasser reicht für uns beide und schneller, als ausgerechnet, kommen wir an. Zunächst kaufen wir Picknick für morgen, dann lade ich meine heutige Wegbegleiterin zu einem Kaffee ein. In dem Café bekommen wir einen Stadtplan und finden im zweiten Anlauf das Hotel. Für zwanzig Euro habe ich ein riesiges Zimmer mit Sitzecke und Sekretär. Im begehbaren Kleiderschrank können heute Nacht meine Sachen trocknen bzw. auslüften. Zum Abendessen haben wir uns für 20:00 Uhr verabredet, genug Zeit für das Pflichtprogramm und ein kleines Nickerchen. Auch führe ich mir die Liedtexte zu Gemüte. Heute ist „Die Affen rasen durch den Wald“ dran. Das Lied passt richtig gut zum heutigen Tag. Wir beide haben viel gelacht, auch beim Einchecken ins Hotel. Die Dame am Empfang wollte einen Ausweis. Ich hatte meinen schneller zur Hand und habe meine Begleiterin als Tochter für diesen Abend adoptiert. Vom Alter her passt sie in die Reihe meiner Kinder genau zwischen Nummer vier und Nummer fünf hinein.
Auf der Suche nach einem geeigneten Restaurant für das Abendessen machen wir noch einen Stadtrundgang. Heute gibt es nur eine kleine Portion Tapas für mich. Es ist Zeit für den Austausch der Namen, doch ich gebe zu, ihn direkt wieder vergessen zu haben. Mit „M“ fing er an. Sind Namen wichtig? Na ja, höflicher wäre es schon gewesen, ihn zu behalten. Mein Tacho bleibt auf 45.870 Schritten stehen. Den Wecker stelle ich auf 6:30 Uhr. Morgen sind es 34 Kilometer weniger sechs Kilometer, die ich heute schon gelaufen bin.