Es war für eine Stadt sehr ruhig heute Nacht. Doch morgens brauche ich den Wecker nicht. Ich bin gut ausgeruht. Ich packe in aller Ruhe meine Sachen und suche mir ein Café für das Frühstück. Dort treffe ich ein holländisches Ehepaar, das mich noch aus Irun kennt und sogar meinen Namen weiß. Ich erfrage die Namen der beiden: Jeanette und Fred. Die beiden sind einige Etappen mit dem Bus gefahren, gehen immer so zwischen 20 und 24 Kilometer am Tag. Vorgestern haben sie per Bus einen Abstecher nach Oviedo, dem Startort des Camino Primitivo, gemacht um für Jeanette neue Schuhe zu kaufen.
Gestern Abend habe ich mir ausgerechnet, dass derzeit mein Schnitt bei 31 Kilometern pro Tag liegt. Jeanette und Fred haben für heute dasselbe Ziel wie ich: Avilés. Der Weg aus der Stadt hinaus ist lang. Die Österreicherin (Ein Jahr später treffe ich sie auf der Vía de la Plata wieder. Einige Etappen sind wir zusammen gegangen. Daher weiß ich auch, dass sie Maria heißt.) vom Frühstück gestern schließt auf, die Holländer verschwinden in einem Café. Noch ein Stückchen gehe ich weiter, dann kommt ein Café mit einer Muschel an der Eingangstür. Hier muss ich Pause machen. Alles ist hier einfach nur zum Wohlfühlen, auch auf den Fernseher hat man hier verzichtet. Als ich frage, ob ich ein Foto machen darf, kommt die Wirtin und platziert sich an meinem Tisch. Einen Stempel für den Pilgerpass bietet sie mir an, doch ich sammle nur Stempel von meinen Übernachtungsstätten. Das kann sie gut verstehen. Es tut gut, von ihr für mein bisschen Spanisch gelobt zu werden.
Für zwei Stunden bin ich dann allein, folge den Wegweisern und lasse die Gedanken schweifen. Dann taucht Maria wieder vor mir auf. Es sind nur noch wenige Schritte bis zur Iglesia Santa Eulalia del Valle. Maria deckt sich im Supermarkt ein, ich habe noch genügend Picknick im Beutel. Die Bänke sind so bequem, dass ich meine Pause sehr lang ausdehne. Das nächste Café soll es in vier Kilometern geben, wirft Maria über die Schulter zu mir herüber, als sie sich wieder auf den Weg macht. Das ist wahr. Es liegt am Rande eines Industriegebietes, das sich weit, bis fast nach Avilés hinein, erstreckt.
Diese acht Kilometer bis zur Stadt gehe ich auf Sichtweite mit Maria. Es fällt schwer, in dieser Umgebung die gute Laune zu behalten. Die Herberge liegt gleich am Rand der Altstadt und ist zu einfach für meine heutigen Ansprüche. Ich beschließe, noch sechs Kilometer weiter bis Salinas zu laufen. Dort gibt es laut Pilgerführer Pensionen. Auf dem Rathausplatz ziehe ich mich in ein Café zurück. Ein kurzer Plausch mit dem amerikanischen Pärchen bringt die gute Laune wieder zurück. Dann mache ich mich wieder auf. Die Vorstadt ist schön, es geht bergauf. Dann ein Blick aufs Meer und zur Krönung geht`s auf einem Waldweg bergab ins Städtchen Salinas. Die drei Sterne des Hotels empfinde ich heute als angenehmen Ausgleich für die letzte karge Nacht. Ich finde eine etwas versteckte Taberna und bin um fünf vor acht ein bisschen früh dran, werde aber wohlwollend eingelassen und vorzüglich bedient. Heute ist mein Drei-Sterne-Tag. Nachmittags sah ich wieder ein Pilgertelefon am Weg. Und es war mehr als ein Pilgertelefon, es lag dort auch Obst und ein Wasserkanister stand zum Zapfen bereit. Ich habe die dritte Nachricht an Katrin dort gelassen. Vielleicht ist das albern, aber sie ist eine der wenigen, mit denen ich auch nach dem Pilgerweg gern weiter Kontakt pflegen möchte. Ich habe keine Kontaktdaten von ihr, sie hat aber meine. Mal sehen, ob sie sich irgendwann meldet. (Bemerkung aus dem Jetzt: Sie hat, pilgergerecht mit der gelben Post. Und wir sind auch heute noch in Kontakt.)
Punkt 21:00 Uhr mache ich mich nachtfein und nehme mir Zeit für die Statistik: Heute machte ich 43.840 Schritte, auf denen ich wieder viel gelernt habe. Mit der Nase in der Mundorgel beim Lied „Der Mond ist aufgegangen“ schlafe ich ein.