Der Rucksack ist um zehn vor sieben halb gepackt und ein selbst gebrauter Kaffee steht vor mir auf dem Tisch. Ich will langsam laufen und stehe daher lieber früh auf. Einige sind schon losgezogen. Früh ist mein Früh, nicht das Früh der anderen. Gestern Abend habe ich mich noch mit Lena über diesen Camino bei einem Tee ausgetauscht. Ich fühlte mich in der Rolle des Zuhörers. Zusammen mit Werner breche ich auf. Wir kommen exakt bis zur nächsten Bar, er hat noch keinen Kaffee getrunken und einer geht noch bei mir. Linda stößt hinzu. Gerade habe ich von Werner erfahren, dass die junge Frau aus Brandenburg nicht Lena sondern Linda heißt. Sie gibt eine Runde Kuchen aus ihrem Picknickbeutel aus. Dann brechen wir auf, bald läuft jeder für sich. An der Herberge in Miraz treffe ich Werner wieder. Zusammen Pause zu machen, ist schön, aber dann möchte ich wieder allein weiterlaufen. Es ist erst kurz nach 11:00 Uhr und es liegen noch fast sieben Stunden vor mir. Eine kleine Herde Kühe wird auf der Straße an mir vorbeigetrieben. Corry und Matthias holen mich ein. Es war hilfreich, dass mir Matthias gestern die Eselsbrücke mit den Los gemacht hat. So konnte ich mir seinen Namen merken. Der Jünger Matthias war ja durch das Los zu den verbliebenen 11 Jüngern dazugekommen. Wie die beiden so vor mir laufen, weiß ich, was entspanntes Pilgern ist. Mal wird der Stock geschwungen, mal über die Schulter gelegt und die Arme darüber verschränkt. Ich lasse mich von ihnen über eine Bergkuppe ziehen. Dann mache ich eine kleine Pause, um die Landschaft wieder für mich allein zu haben. Bei der nächsten Bar treffen wir uns wieder. Vier andere Pilger sind auch noch da. Die brechen aber bald auf. Wir bleiben noch für eine zweite Tasse Kaffee. Ein deutscher Jogger kommt an. Er gehört zu einer Gruppe, die, begleitet von einem Bus, nach Santiago joggt. Stolz erzählt er, dass sie jeden Tag 30 Kilometer joggen und unterwegs in regelmäßigen Abständen mit Wasser versorgt werden. Wir sind still und erzählen nicht, dass unsere Etappe heute zehn Kilometer länger ist als seine, wir unser Gepäck selber tragen und auch das Wasser nicht durch Zauberhand in unsere Flaschen gerät. Aber wir gehen ja auch nur und das noch langsam. Wir ziehen los, noch zehn Kilometer warten auf uns, die heute sehr heiß sein werden. Endlich meint es die Sonne gut mit uns.
Beim nächsten Stopp sind die schnelleren Pilger Linda und Werner gerade im Aufbruch. Matthias und Corry kümmern sich um eine Chinesin, die offensichtlich zu wenig getrunken hat. Den Rest des Weges gehen wir zu viert. Wir beiden Männer vorn und die Damen folgen uns mit kleinem Abstand. Zouw, der Chinesin, geht es schlecht und wir spielen „Caminoengel“. Als wir im Kloster ankommen, wird für uns vier ein extra Raum aufgeschlossen. Das wird eine ruhige Nacht. Beim Pflichtprogramm beeilen wir uns alle.
Das empfohlene Restaurant liegt einige Schritte entfernt. Dort sammeln sich sieben Pilger an unserem Tisch. Wir vertrödeln uns und kommen erst kurz nach zehn Uhr an die verschlossene Klostertür. Glücklicherweise ist ein Spanier in unserer Gruppe und zum Glück habe ich meinen Pilgerführer dabei, in dem die Telefonnummer der Herberge steht. Nach einer knappen halben Stunde werden wir knurrend eingelassen. In Ruhe machen wir uns nachtfein. Der Spanier siedelt in unser Zimmer um. Jetzt bekomme ich auch mit, wie er heißt: Pedro. Der Tacho steht auf 56.101 Schritten und es ist 22:46 Uhr.