Die Möwen wecken mich schon vor 6:30 Uhr, der Zeit, auf die ich meinen Wecker im Handy gestellt hatte. Um 7:00 Uhr ist alles gepackt. Eigentlich könnte ich jetzt irgendwo frühstücken. Aber das Abendessen war so reichhaltig, dass ich das Frühstück auf Santiago verschiebe. Ich werde dort mit dem Bus um halb zwölf ankommen. Zu Fuß ist es dann noch eine halbe Stunde bis zur Innenstadt. Ich werde also pünktlich zur Mittagsmesse, der Pilgermesse, da sein. Soweit der Plan. Schon um Viertel vor acht bin ich viel zu früh an der Bushaltestelle. Doch das hat sein Gutes. Der Bus, der hier gerade abfahrbereit steht, bringt mich inklusive einmal Umsteigen eine Stunde schneller nach Santiago. Mein Fensterplatz erlaubt mir, langsam Abschied zu nehmen von der heute wieder verregneten spanischen Landschaft. In Santiago finde ich auf Anhieb den Weg ins Zentrum. Im zweiten Reisebüro gelingt es mir, einen Fahrschein für die Bahn bis Hendaye für morgen früh zu erstehen. Für die weitere Strecke aber gibt es weder eine Fahrplanauskunft noch einen Fahrschein. Aber das genügt mir erst einmal. Ich wähle wieder dieselbe Pension wie vor vier Tagen. Als ich mich zur Mittagsmesse aufmache, treffe ich Helmut, einen der beiden Südtiroler vom Anfang meines Caminos del Norte. Er ist gestern angekommen und will morgen weiter nach Fisterra und Muxía. Gestern hat er Katrin hier in Santiago gesehen. Schön zu hören, dass auch sie wohlbehalten eingetroffen ist. Bei einem Kaffee tauschen wir kapp unsere Pilgererlebnisse bis hierher aus. Dann machen wir uns auf zur Messe. Das Hauptportal ist schon geschlossen, aber durch den Seiteneingang kann man noch hineinkommen in die rappelvolle Kathedrale. Am Ende wird sogar der Weihrauchkessel, der Botafumeiro, geschwungen.
Ich setze mich nach der Messe in eine Bank und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Das Lied „Die Gedanken sind frei“ kommt mir in den Sinn. Für 15:00 Uhr habe ich mich mit Helmut verabredet. Doch jetzt stelle ich mich noch einmal in die Schlange, um an der Jakobsstatue vorbeizugehen. So lange musste ich hier noch nie warten. Trotzdem empfinde ich Ruhe dort, keiner drängelt. Mit Helmut gehe ich ins Café „Casino“. Wir tauschen uns gemütlich über unsere Erfahrungen auf dem Camino aus.
Nachdem wir uns noch einmal für 20:00 Uhr verabredet haben, erledige ich meine Picknickeinkäufe für die morgige Bahnfahrt. Auch in Souvenirläden schaue ich vorbei, finde aber nichts, was mir gefällt. Es ist schön, soviel Zeit in Santiago zu haben. Ich besuche noch einmal die Kathedrale, noch einmal verabschiede ich mich bei der Jakobsstatue von Santiago und danke dem Apostel Jakobus für diese Pilgerfahrt.
Die Zeit bis zum Abendessen überbrücke ich bei einem Orangensaft im Café „Casino“. Ich treffe Rüdiger und zwei andere Pilger. Das Gespräch mit Helmut beim und nach dem Abendessen ist sehr angenehm. Es ist eins von den Gesprächen, die ich wohl immer in Erinnerung behalten werde und die nie im Tagebuch landen werden. Es sind heute doch erstaunlich viele Schritte zusammengekommen: 12.426.