Frühmorgens wieder die zwanzig Minuten zu Fuß vom Hotel zum Busbahnhof, dann ein paar Stunden mit Sicht auf das Meer entlang der Küstenstraße. In Bayonne habe ich viel Zeit, bis der Zug nach Saint Jean geht. Ich werde das erste Mal als Pilger angesprochen, ein seltsames Gefühl. Mein Camino beginnt dann in Saint-Jean-Pied-de-Port, einer kleinen Stadt am Fuße der Pyrenäen. Eine Lawine von Menschen geht vor mir vom Bahnhof zur Stadt. Zusammen mit Emmanuelle aus Brüssel, die ich am Bahnhof von Bayonne zum ersten Mal zwischen zwei Profipilgerinnen gesehen habe, trotte ich der Menschenmenge hinterher. Mein Lächeln rüber zu Emmanuelle in Bayonne war also nach Kerkeling eindeutig nicht lüstern, denn sie lächelt zurück und spricht mich beim Einsteigen in den Zug erst auf Französisch, dann – nach meinem Achselzucken – in perfektem Englisch an. Beim ersten Papierkorb in diesem Bahnhof schmeißt Emmanuelle mit großer Geste ihre Fahrkarte weg, nichts aufheben, was einen auf dem Weg belastet. Ich tue es ihr nach und muss später oft an diesen Augenblick denken, wenn ich wieder versucht bin, an etwas festzuhalten, was mich eigentlich nur belastet.
Ich bin erschlagen von der Menge der Menschen in Saint Jean. Viele Touristen, einige Pilger. Wenn das so bleibt, bin ich in drei Tagen wieder weg, ist mein Gedanke. In der Stadt angekommen, geht Emmanuelles Weg nach links zum Pilgerbüro und meiner nach rechts zur gebuchten Herberge.
Nach Zuweisung des Bettes mache ich einen Stadtrundgang, besichtigte die Zitadelle und die Kirche und kaufe ein für ein Abendessen im Garten der Herberge. In der Kirche zünde ich eine Kerze an für alle meine Freunde zu Hause und für mich, für einen guten Camino.
Im Garten der Herberge leistet mir eine Schar junger Franzosen Gesellschaft, später kommen noch Siggi mit seiner Frau Renate und seine Mitpilgerinnen vorbei. Siggi und Renate waren 2008 von zu Hause gestartet, mussten abbrechen und haben 2009 irgendwo in Frankreich den Weg wieder aufgenommen. Die beiden sind dieses Jahr schon über einen Monat unterwegs. Ich bin also vom ersten Tag an mitten drin bei den echten Pilgern. Auch Siggi und Renate sind gut angekommen, wie mir ihr Blog später verraten hat.
Spät in der Nacht kommt noch ein „Wunderheiler" in den Garten der Herberge, ein Franzose, der mit chinesischen Methoden die Leiden an den Füßen der Pilger zu mildern weiß. Bei den Pilgern um mich herum verbreitet er Wohlempfinden. Mir tut noch nichts weh.
Herbergsschild in Saint-Jean-Pied-de-Port
Hier der Start-, Umsteige- und der Endpunkt der Etappe von Bilbao über Bayonne nach Saint-Jean-Pied-de-Port per Bus und Bahn: