Ziel heute ist Burgos, das ist 25 Kilometer entfernt, also kann man kurz nach Mittag da sein.
Zunächst geht es erst einmal bergauf durch eine neblige Landschaft. Links vom Weg Stacheldraht in Massen. Das ist schon eine unheimliche Stimmung. Ich laufe auf Sichtweite mit Jürgen. Jürgen will heute in Burgos zelten. Ich hätte fast die Abzweigung zur schöneren Variante rein nach Burgos verpasst, doch Jürgen sieht mein Zögern und weist mich auf den rechten Weg. Der andere Weg geht durchs Industriegebiet. Viele Pilger schenken sich diese hässlichen fünf Kilometer und fahren die Strecke mit dem Bus. Doch Jürgen und ich haben das Busfahren in Spanien noch nicht gelernt und wollen es auch gar nicht ausprobieren. Und so kommen wir bald zum Flüsschen, laufen immer an ihm entlang, fragen uns durch. Bis Jürgen mal nach dem Zeltplatz schaut und feststellt, er müsste ein paar Kilometer zurück. Das hat er nicht im Programm und beschließt spontan, sich ein Hotel zu suchen. Ich frage, ob es für ihn okay ist, wenn ich mich anschließe, und so schwenken wir bei der Brücke, die zur Kathedrale geht, nicht nach rechts zu dieser ein, sondern nach links zu einem Hotel. Es sind nur drei Minuten zur Innenstadt, alles prima. Ich mache mich stadtfein und durchstreife Burgos, besuche die Kathedrale, die mich fünf Euro Eintritt kostet und für mich eher ein Museum denn eine Kirche ist. Oder finde ich mich nur nicht zurecht, ich bin ja mittlerweile ein rechtes Landei, das nur gelben Pfeilen folgen kann. Burgos als Stadt gefällt mir. Einige nette Plätze mit Cafés, Lädchen, in denen man sich ungezwungen umschauen kann.
Auf einem der Plätze sehe ich Simone, mit der ich vor ein paar Tagen schon ein paar Worte gewechselt habe. Ich setzte mich zu ihr, wir kommen ins Gespräch, besser vielleicht, ich ins Erzählen. Es wird uns auf dem Platz zu heiß und ich lade Simone auf einen Kaffee im Schatten einer Bar ein. Simone ist schon in Frankreich gestartet und macht hier in Burgos ihren ersten Ruhetag. Sie will mal sehen, wie es sich anfühlt, einen Tag nicht zu laufen. „Wieder was gelernt", sagt sie, als wir uns nach zwei Stunden trennen. Ich werte das als Kompliment. Beim Anblick von zwei jungen Mädchen, die ich sonst nur in einem Vierergespann kenne, ist mir mein Erstaunen wohl ins Gesicht geschrieben. Die knallrot geschminkten Lippen des einen Mädchens entlocken mir eine Bemerkung, die mit Wohlwollen von den beiden aufgenommen wird. Ja, solche wichtigen Dinge haben in jedem Rucksack Platz. Es ist schön, dass die Kommunikation über Altersgrenzen hinweg so unkompliziert ist, und es tut mir gut, auch mit so vielen jungen Menschen Kontakt zu haben.
Jürgen und ich haben uns für 19:30 Uhr an der Brücke vor der Kathedrale verabredet und sagen das allen bekannten Mitpilgern weiter. Und so findet sich wieder eine bunt gemischte, internationale kleine Gruppe zusammen. Maria und Cecilia haben Heimvorteil, denn beide kommen aus Spanien. Sie fragen sich bei den Einheimischen durch, denn es ist nicht einfach, so früh schon gutes Essen zu bekommen. Pilgermenü, ja klar, das gibt es, aber darauf haben wir heute alle keine Lust. Zweimal quer durch die – zum Glück – kleine Innenstadt und wir haben einen Tisch für uns sechs gefunden. Zu sagen, dass der Tisch sich gebogen hat, wäre vielleicht übertrieben, aber die vielen Platten mit den unterschiedlichen Gerichten, die wir uns redlich teilen, lassen keinen Wunsch offen. Auch beim Wein erlauben wir uns einen Upgrade vom üblichen Pilgerwein. Die Themen sind so international wie unsere Gruppe. Anna aus Dänemark ist gerade dabei, sich um einen Job in Afghanistan zu bemühen. Dann ist es kurz vor 22:00 Uhr und die Herbergsschläfer brechen auf. Wir nehmen noch ein letztes Glas Wein auf der Plaza.