Es ist gestern etwas später geworden und ich genieße morgens noch die Ruhe im Hotel, nachdem ich um 6:00 Uhr von der Müllabfuhr aufgeschreckt worden bin und gerufen habe „Ach, ist das aber laut!", mich umgedreht und weitergeschlafen habe, wie Jürgen es später Manni in einer Bar erzählt. Es sind elf Kilometer bis zur ersten Bar und dem damit verbundenen Frühstück. Gerade wundere ich mich, niemanden hier zu kennen, schon kommt Maria um die Ecke. Ein neues Gesicht am Nachbartisch: Jasmin aus Fuerteventura. Sie ist letztes Jahr bis Burgos gegangen und ist jetzt dort wieder gestartet. Jürgen und Maria sind heute schneller, ich trödle hinterher, mache viele Fotos. In Hornillos del Camino warten die beiden am Lädchen auf mich. Sie wollen heute noch weiter, für mich ist Schluss. Ich checke die Herberge, mehrere Gebäude, also für mich Dusche über die Straße, aber alles sauber. Also entscheide ich zu bleiben. Wir essen noch zusammen und dann brechen Maria und Jürgen auf. Abschied für immer oder nur für kurze Zeit? Das weiß man auf dem Camino nie.
Ich gehe in die schöne Kirche und finde dort Ruhe, suche mir ein Plätzchen in einer Bank, zücke mein Büchlein und erledige meine täglichen Einträge. Mein Englisch ist in den letzten Tagen wieder deutlich besser geworden, denn das ist die Hauptsprache der Pilger untereinander. Mein Deutsch rostet auch nicht ein, denn es sind viele Deutsche hier unterwegs. Wieder draußen vor der Bar, treffe ich Anna aus Dänemark, die wegen ihrer Beine zum Arzt in Burgos musste. Ansonsten durch meine verkürzte Tagesetappe viele neue Gesichter: Elke aus Bad Überlingen, Lijgien aus Amsterdam, Klaus aus Bonn. Klaus ist vor vielen, vielen Tagen in Bonn mit seinem Karren losgezogen. Er läuft immer seine 20 Kilometer, meist – wegen des Karrens, den er im Geschirr hat und hinter sich herzieht, – über Straßen. Bei einem Glas Wein erzählt er, dass er von seinem Pfarrer zu Hause zwar kurz, aber herzlich verabschiedet wurde. Klaus läuft unheimlich schnell, 6 km/h im Schnitt. Von Manni erfahre ich später, dass Klaus nicht nur Santiago gut erreicht hat, sondern auch Fisterra. Bei einem Nachtreffen in Köln Anfang November erzählt mir Kim aus Neuseeland dann auch von ihrem Zusammentreffen mit Klaus. Zusammen haben wir uns nie gesehen, aber wir sind im gleichen großen Schwung nach Santiago geschwommen – man kennt sich.