Trotz des Bettwanzenalarms habe ich gut geschlafen. Die Tierchen mögen mich nicht, das ist gut so und glücklicherweise bleibt das auch auf dem Rest meiner Pilgerfahrt so. Ich bin spät los, mein Brot hängt noch am Rucksack: eiserne Reserve für die nächste Schafherde, die aber nicht auftaucht. Der Sonnenaufgang im Rücken war toll, der Mond noch am Himmel. In Carrión de los Condes werfe ich einen Blick in die Kirche. Es sind Nonnen beim Gebet und ich möchte nicht stören. An der nächsten Ecke dann einen ersten Kaffee. Arnold aus Berlin sitzt alleine vor der Bar. Auf den ersten Blick hin macht er eindeutig den Eindruck, dass er alleine bleiben möchte, und ich respektiere seinen Wunsch, ohne überhaupt mit ihm ein Wort zu wechseln. Gerade als ich gehen möchte, kommen Gisa und Jürgen daher. Es ist kurz vor neun, also noch einen Kaffee. Eine Radpilgerin kommt mit ihrer kleinen Tochter per Tandem vorbei. Beide machen einen zufriedenen Eindruck. Kinder auf dem Weg sieht man selten. Dann ist die Ruhepause vorbei und ich mache mich auf den Weg: 4,5 Stunden ohne Ortschaft. Wenn ich Pech habe, ist die Bar, die der Führer nach 2,5 Stunden mit „vielleicht" angibt, geschlossen. Also bunkere ich drei Liter Wasser. Zunächst habe ich Asphalt unter den Füßen, dann glücklicherweise eine breite Schotterpiste. Rechts und links die abgemähten Kornfelder soweit das Auge reicht – traumhaft. Lijgien und ich finden uns und laufen im Gleichtakt nebeneinander. Der Rhythmus unserer Schritte trägt uns gegenseitig. Wir reden kaum, die Stille tut wohl, die Sonne brennt. Wir haben Glück: Rechts taucht ein Container auf. Die Bar ist offen. Langsam laufen noch Maria, Gisa, Jürgen und Liz ein. Liz ist Norwegerin, lebt aber in Israel. Es ist kurz nach 12.00 Uhr. Der Platz hat keinen Namen im Führer. Bis zur nächsten Herberge sind es noch einmal zwei Stunden, also auf.
Der Weg ist geschafft, die Herberge schrecklich, die Duschen scheußlich. Marias Kommentar: „Unter der Dusche bin ich nur fünf Minuten, im Bett acht Stunden und die Betten sind sauber." Gut – sie mag ja recht haben. Es gibt ein Schwimmbad. Ich ziehe die kalte Dusche draußen am Schwimmbad der warmen Dusche drinnen vor. Mein Besuch im Schwimmbad ist sehr, sehr kurz: Das Wasser ist bitterkalt – oder liegt es daran, dass mein Körper noch von der Tour unter der brütenden Sonne überhitzt ist? Anna ist heute zum siebten Mal Großmutter geworden und gibt im Garten der Herberge eine Runde aus. Der Nachmittag wird fröhlich. Aber erst einmal Turnschuhe an und Rundgang durch den Ort.
Bei der Bar lerne ich die Betreuer einer organisierten Camino-Gruppenreise aus Bremen kennen. Die beiden warten auf ihre Wanderer, die mit kleinen Tagesrucksäcken die Strecken bewältigen dürfen. Dann sind da auch wieder Jeanin und Colin, die noch weiter wollen, um einen schönen Zeltplatz zu suchen. Am Abend am langen Tisch ein schönes Pilgermenü mit vielen bekannten, aber auch einigen neuen Gesichtern.