Heute Morgen ist wieder einmal eine Entscheidung fällig. Zum Glück hatte ich aufgepasst, als Ulla in La Faba von der Möglichkeit, den Weg über Samos zu gehen, gesprochen hat. So schaue ich ganz unüblich schon morgens vor dem Losgehen in den Führer. Ich entscheide mich für den Schlenker über Samos, denn ich hoffe, dass diese Strecke nicht ganz so voll ist, weil sie ja ein paar Kilometer länger ist. Das macht mir nichts, nach meinem Zeitplan bin ich sowieso fast eine Woche zu früh dran. Nun muss die zweite Entscheidung an diesem Tage gefällt werden. Die 29,1 Kilometer, die mein Führer mich weiter haben will, oder nur zehn Kilometer und in Samos mal ausspannen und ausschlafen. Nach den beiden letzten Nächten scheint mir die zweite die schönere Variante. Das Wetter stimmt mit ab, es tröpfelt und es sieht nach mehr Regen aus. So stecke ich die Nase in Samos kurz in die Herbergstür und schwenke leichten Herzens hin zu einem Hostal gegenüber. Um 11:00 Uhr (vormittags) bin ich geduscht, liege im Bett und schlafe durch bis 15:00 Uhr. Ein Gang durch den Ort mit Schirm – endlich mal Regen, denn sonst würde ich meinen Schirm ja völlig unnütz durch Spanien tragen. In der Klosterkirche ist eine große Hochzeit – gibt es in Spanien kleine Hochzeiten? Ich stelle mich in die letzte Reihe und genieße die Zeremonie. Einiges aus der Messe ist mir mittlerweile vertraut. Eine Altistin singt dann auch noch Lieder, die ich kenne. Ich bin versucht mitzusingen, lasse es dann aber doch besser. Als Pilger habe ich ja viele Freiheiten, sollte mir aber nicht alle nehmen. Es ist einfach nur schön und wieder einmal hat mein Gefühl mich recht geleitet, hier in Samos zu bleiben, auch wenn zehn Kilometer nicht als Pilgertag, sondern als Ruhetag zu zählen sind. Als ich die alle so gut angezogenen Menschen in der Kirche sehe, fällt mir wieder auf, dass ich gestern Kirstin innerlich recht gegeben hatte. Ich sollte mein Gewicht reduzieren um hundert Gramm Haare und Bart. Also kommt ein zweiter Rundgang durch den Ort dran. Ich finde auch einen entsprechenden Laden, aber mir wird begreiflich gemacht, dass ich keine Dame bin und hier nur Damen noch schöner gemacht werden. Also muss ich dieses Vorhaben wieder einen Tag weiterschieben. Dafür treffe ich einen Franzosen, besser Basken, der von Marseille aus gestartet ist.
Bei der Wahl des Restaurants finde ich eines mit sehr gutem Essen, aber leider wird hier geraucht, denn Bar und Restaurant gehen ineinander über. Das mag mein Husten nicht. Ich hatte den ganzen Tag so schön alleine verbracht und erwische abends auch einen kleinen Tisch für mich alleine. Dann ist aber leider alles besetzt und ein Ehepaar kommt herein. Höflich wie ich bin, schlage ich die Bitte, bei mir Platz nehmen zu dürfen, nicht aus. Nach einer Stunde weiß ich von den beiden Holländern alles über ihre Radtouren der letzten zwanzig Jahre und bin bestens über die Problematik des Bremsens beim Bergabfahren informiert. Einzelwanderer und Ehepaare sind zwei Welten, Fußgänger und Radfahrer sind ebenfalls zwei Welten auf dem Camino. Der Beweis ist an diesem Abend wieder einmal erbracht worden. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.
Alles hat sein Gutes, ich breche früh in Richtung Bett auf.