Um 7:00 Uhr meldet sich der Wecker im Handy. Ich trödle beim Packen, die Griffe sitzen noch nicht, mit jeder Tüte raschle ich ewig herum. Aber ich bin ja allein in meinem schönen Zimmer. Gegen 8:00 Uhr steht in der Bar, die meinem Hotel gegenüberliegt, mein Frühstück vor mir: ein Bocadillo con jamón. Dann mache ich mich auf zur Kathedrale, denn dort beginnt der Camino, auch wenn ich um diese Zeit noch keinen Stempel erhalte. Der Weg durch die Stadt ist gut markiert, ich muss mich allerdings konzentrieren und an jeder Ecke den Pfeil suchen. Dann teilt sich der Weg, so wie ich es im Pilgerführer gelesen habe. Ich nehme die Variante am Fluss entlang. Der Weg ist breit und ausgefahren. Der Ort Santiponce kommt gerade recht für einen Café con leche. Als mein Tacho 18 Kilometer anzeigt, treffe ich auf einen Australier, der am Wegesrand hockt. Er hat gerade ein Paar Ersatzschuhe als zu schwer eingestuft und weggeworfen. Ich teile mein Wasser mit ihm. Ein französisch-schweizerisches Paar überholt uns. Ich bleibe bei dem Australier und seine langsame Geschwindigkeit tut auch mir gut. An der ersten Herberge von Guillena werden wir von der Hospitalera auf der Straße angesprochen. Ich beschließe in der Albergue La Luz del Camino zu bleiben und der auf dem letzten Loch pfeifende Australier schließt sich meiner Entscheidung an. Ein besonderer Service ist hier, dass die Wäsche gewaschen wird. Nach der Dusche gehe ich in eine Bar auf einen Café con leche und merke sofort, dass ich meine Geldbörse nicht mitgenommen habe. Also schnellen Schrittes wieder zur Herberge zurück. Ich habe Glück, die Geldbörse liegt noch auf meinem Bett. Ganz schön unvorsichtig, da habe ich Regel Nr. 1 für den Umgang mit Wertsachen nicht beachtet. Zurück in der Bar bekomme ich meinen Kaffee und das Tagebuch kommt auf den Tisch im gut temperierten Saal. Hier wird ein Pilgermenü für nur sechs Euro angeboten. Das darf noch eine Weile warten. Zwischenbilanz des Stepcounters: 25,3 Kilometer oder, genauer, 33.667 Schritte. Ein Plausch mit einer holländischen Familie tut gut, denn alle vier können etwas Deutsch. Und so bekomme ich die Information, dass man die Dreißig-Kilometer-Etappe übermorgen mit dem Taxi oder Bus abkürzen kann. Seltsam ist, dass ich noch keine Deutschen getroffen habe, Deutsche machen mehr als vierzig Prozent der Pilger auf dem Camino aus. Mit dem Australier gehe ich zum Abendessen. Langsam weiß ich viel von ihm, denn auf jede Frage erhalte ich eine weitschweifige Antwort. Zu sagen, er textet mich zu, ist nicht untertrieben. Das Pilgermenü ist gut und es bleibt bei sechs Euro trotz meines Sonderwunsches Agua con gas. Der Australier revanchiert sich und lädt mich ein. Zurück in der Herberge funktioniert das Licht nicht. Gut, dass ich schon meine Taschenlampe herausgesucht hatte. Der Schrittzähler vermeldet, dass ich heute 35.919 Schritte gemacht habe. Früh geht es zu Bett.
Endlose Weiten auf der Vía de la Plata
Hier die Karte meines ersten Pilgertages von Sevilla, dem Startort meiner Pilgerfahrt auf der Via de la Plata (Hotel Casona de San Andrés) nach Guillena, Albergue Luz del Camino.