Alan hat verschlafen. Das ist gut für ihn. Ich sitze in der kleinen Hotelhalle neben einem laut rauschenden Getränkeautomaten und warte. Gespannt bin ich, wie lange die fünf Minuten dauern, die Alan sich erbeten hat. Es wird eine Viertelstunde. So kenne ich ihn gar nicht. Gleich an der nächsten Ecke hat eine Bar geöffnet und ich gönne mir einen Café con leche und eine Tostada con queso. Der Weg aus der Stadt hinaus ist gut markiert. Dann geht es an der Straße entlang, aber auf einem grünen Geh- und Radweg. An einem Stausee gibt es auch Abwechslung für die Augen. Ich beginne, Alan etwas von Eckhard Tolle „JETZT“ zu erzählen. Das macht mir Freude. „No assumptions“ ist einer der nächsten Kernsätze, die ich loslasse. Als er von „wrong assumptions“ spricht, merke ich, dass ganz langsam bei ihm ankommt, was ich sagen will. Heidi, die Schweizerin, hat mir gestern die Aufgabe gestellt, Alan bis Santiago zur Ruhe zu bringen. Mal sehen, ob das klappt. Mal sehen, ob wir überhaupt so lange zusammen laufen. Heute hat Alan zumindest so viel Ruhe gehabt, dass wir immerhin drei Pausen gemacht und unsere Bananen gegessen haben, die wir heute früh in Mérida erstanden haben. Als Alan die morgige Etappe aus seinem Pilgerführer vorliest, antworte ich nur knapp: „That's mañana.“ Wir kommen in einem kleinen Ort an und denken, das sei das Tagesziel Aljucén. Doch wir erfahren, es sind noch 2,5 Kilometer bis dorthin. Die schaffen wir noch locker. In Aljucén ist ein Laden geöffnet, ich erstehe etwas Gebäck für den Nachmittag und ein Eis auf die Faust. In einer Bar gibt es einen Café con leche und die Information, dass es eine Casa Rural im Ort gibt. Ein belgischer Pilger übernimmt für uns das Telefonieren mit der Wirtin. Schon vor 15:00 Uhr sitze ich mit selbstgebrautem Kaffee im Garten der Casa Rural und schreibe mein Tagebuch. Die Wäsche hängt auf der Leine, die Dusche war erfrischend. Der Stepcounter steht bei 26.014 Schritten (19,5 Kilometern). Gegangen bin ich die in vier Stunden und 24 Minuten. Es ist Zeit für meinen zweiten selbstgebrauten Kaffee. Und jetzt kann die Planung für morgen beginnen, nicht schon mitten auf dem Weg bevor wir am Tagesziel angekommen sind, wie Alan es beginnen wollte. Laut Pilgerführer stehen für morgen fünfeinhalb Stunden an, heute waren es viereinhalb. Das stimmt ja mit meinem Tacho fast genau überein. In der Tee- und Kaffeetüte findet sich auch die Mundorgel. Hier ist ein idealer Ort, das Liederbüchlein zurückzulassen. Um ein drittes Kaffeetütchen wird mein Rucksack erleichtert, denn Alan bittet um einen Kaffee, den ich ihm gern braue.
El Camino
Hier die Karte meines elften Pilgertages am 8. Mai von Mérida, Hotel Lusitania nach Aljucén, Casa Rural