Zwei Hähne, die um die Wette krähen, ersetzen heute den Wecker. Nach einem guten Frühstück geht es hinaus in den Regen. Der Regenschirm ist heute treuer Gefährte. Der Weg ist für galicische Verhältnisse eben. Pünktlich vor der Kathedrale in Santiago hört der Regen auf. Mit Rucksack dürfen wir nicht in die Kathedrale, also suchen wir erst einmal unser Quartier auf. Das Zimmer erinnert an eine Mönchszelle. Der Gang zur travel agency wegen meines Rückfluges ist erfolglos, bis 16:30 Uhr ist dort Mittagspause. Also hole ich doch erst die Compostela ab. Zweieinhalb Stunden ist die Schlange lang. Dann halte ich die Urkunde in neuem Design in der Hand. Wir treffen Martina, die Studentin, die ihre Masterarbeit über die Motive der Pilger schreiben möchte. Für den Abend verabreden wir uns vor dem Pilgermuseum. Ein erneuter Besuch der travel agency ist erfolgreich. Am Dienstag darf ich nach Frankfurt/Hahn fliegen. Was werde ich die verbleibenden Tage in Santiago mit mir anfangen? Der Museumstyp bin ich ja nicht. Am Abend ziehe ich mich allein in den „Elefanten“ zurück, das Tapas-Restaurant, das mir Eva auf dem Camino 2012 gezeigt hat. Endlich einmal Zeit für mich, Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Den ganzen Camino bin ich zusammen mit Alan und dann mit Wolfgang, Maria und Heimo gelaufen. Ich war in der Rolle des Mitläufers, in der Rolle des Zuhörers. Da bleibt kein Raum für eigene Gedanken. Doch ist das nicht das Ziel, nur im Jetzt zu sein ohne Gedanken an Vergangenes oder die Zukunft? Im Jetzt rufe ich mir Erinnerungen an vergangene Caminos zurück, Erinnerungen der schönen Sorte. Will ich mir den nächsten Camino schmackhaft machen? Der Camino Primitivo geistert in meinem Kopf herum. Aber will ich mir die Strapazen wirklich noch einmal antun? Wie gut, dass ich heute keine Entscheidung treffen muss. Die hat Zeit bis zum Jahresende. Dem Jetzt im „Elefanten“ gehört die nächste halbe Stunde, gute Musik, viel Ruhe. Zwei Tische weiter spielen zwei junge Pilgerinnen Scrabble, das beschreibt die Atmosphäre hier wohl am besten.
Ach ja, heute waren es einschließlich Stadtrundgang 27,9 Kilometer (37.161 Schritte) in sechs Stunden und zwölf Minuten. Und ich war den ganzen Tag auf den Füßen, der Tacho hat mich davon sechs Stunden und zwölf Minuten in Bewegung gesehen.
Kathedrale von Santiago de Compostela
Die Karte meines vierzigsten Pilgertages auf der Vía del la Plata von Ponte Ulla, Hostal Rios nach Santiago de Compostela, Hospedería San Martiño Piñario