Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Ein ausgiebiges Frühstück ist ein guter Start in den Tag. Auch wenn das Gemeindebüro erst um 10:00 Uhr öffnet, bekomme ich jetzt schon kurz nach 9:00 Uhr meinen Stempel in den Pilgerpass. Den Weg aus Perl hinaus finde ich fast auf Anhieb. Es geht durch Weinberge und an Kornfeldern vorbei. Die Sonne meint es gut und es ist schwül. Eine kurze Strecke durch den Wald bringt Abkühlung. Der Duft der Kornblumen vom Feldrand wird abgelöst durch das Gezwitscher der Vögel. Eine junge Pilgerin kommt mir entgegen, mitten im Feld gibt es einen Gedankenaustausch. Sie ist vor anderthalb Monaten in Berlin gestartet und hat noch 2.200 Kilometer bis Santiago vor sich. Den Traum, diesen Weg zu gehen, hat sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr. Jetzt hat sie sich ein Urlaubssemester genommen und ist aufgebrochen. Viel zu schnell ist diese Begegnung vorbei.
Ich war so stolz, heute immer den richtigen Weg gefunden zu haben, doch auf einmal stehe ich an einer verkehrsreichen Straße und weit und breit ist keine Jakobsmuschel zu sehen. Gut, dass der Reiseführer Karten enthält, so kann ich mich orientieren. Von den Alternativen, zurück- oder ein Stück die Bundesstraße entlang zu gehen, wähle ich die unromantische Bundesstraße. Eine kleine Kapelle in Münzingen lädt zum Verweilen ein. Auch die Kirche in Kirf ist geöffnet, doch hier wird gleich eine Beerdigung stattfinden und dafür bin ich unpassend gekleidet. Kurz hinter Kirf finde ich den Jakobsweg wieder. Die gelben Pfeile auf dem Asphalt sind nicht zu übersehen. Ich komme an der Herberge von Mary in Merzkichen an. Dort ist auch Erich eingelaufen. Er ist schon knapp vier Wochen unterwegs und will mit seinen 73 Jahren bis Santiago gehen. Beim Abendessen lerne ich zuzuhören und es trifft sich gut, dass manche seiner Geschichten auch zu meinem Leben passen. Mit dem Abendessen haben wir großes Glück, denn es ist eine Hochzeitsgesellschaft im Nachbarraum und wir profitieren vom Hochzeitsmenü.