Der Wecker weckt auch heute um 6:30 Uhr. Ein gutes Frühstück erwartet uns in der Wohnküche der alten Dame. Leider plärrt lautstark der Fernseher in der Ecke. Unsere Herbergsoma sortiert derweilen ihre Pillen. Eine fällt hinunter, Michelle krabbelt über den Fußboden. Dann regnet es ein wenig, der Wetterbericht verspricht 100% Regenwahrscheinlichkeit. So kommen Regenhose plus Regenjacke plus Regenschirm zum Einsatz. Nach sieben Kilometern halten wir vor der Mairie in Corbeil. Die zuständige Dame kommt gerade zur Arbeit und fragt uns, ob wir einen Stempel wollen. Na klar! Als ich nach einem geöffneten Café frage, deutet sie nur auf die Kaffeemaschine und kocht uns eine Kanne. Als Ausgleich dafür, dass sie keine Milch für Michelle hat, bekommen wir noch einen Riegel „Mars" geschenkt, den wir redlich teilen. Wir erfahren, dass sie hier zwei Campingliegen haben und dass Pilger in einem Nebenraum in der Mairie übernachten können. Nach 54.578 Schritten sind wir bei einer sehr einfachen, für Pilger kostenlosen Herberge in Brienne-le-Château. Ein Schotte ist schon da, der erste Pilger, den wir seit Canterbury auf der Via treffen! Michelle hat einen Gesprächspartner in ihrer Muttersprache und ich pflege meinen geschundenen Rücken in der Hängematte, die sich Bett schimpft. Wir haben heute die um fünf Kilometer längere Route auf Feldwegen gewählt. Das hat uns zwei Stunden entlang der lauten Straße gespart. Was wir an Übernachtungskosten sparen, geben wir für das Abendessen aus.
Heute kommt wieder die Frage auf, die Ute mir in den Rucksack gepackt hat: „Why we are doing this?" Dazu schreibt mir Michelle in mein Büchlein: „To appreciate everything in the smallest detail... a hot shower, wonderful food, kind people who serve us coffee and chocolate as a kind way, bed at the end of a very long day, the blue sky, sunshine, trees.... that is why we are doing it. Hours of quit meditation and aloneness when the mind stops and the joy begins."
Mit dem abendlichen Gang in die Stadt und zum Restaurant sind es heute 41 Kilometer oder, besser gesagt, 58.628 Schritte in Richtung Rom.